Teil 1 unserer Bikepacking Serie

Vor mir schlängelte sich die zweispurige Straße in engen Kurven den Berg hinauf. Die Vorstellung mich dort gleich mit meinem zwar leicht bepackten, aber eben beladenen Fahrrad hinauf zu quälen, gefiel mir überhaupt nicht. Wenn möglich, drücke ich mich gern vor solchen Anstiegen – um am Ende stolz zu sein, wenn ich sie doch gemeistert habe, ohne rückwärts die Straße wieder runter zu rollen. 

Da Bahnfahren hier keine Alternative war, radelte ich schließlich langsam los und schaltete dabei mehrere Gänge runter – soweit runter, wie es eben ging. Ab und zu näherte sich ein Fahrzeug und überholte, sobald es die kurvige Straße zu ließ. Es rauschte an mir vorbei, schnell und wie ich vermutete, ohne die Schönheit der umgebenden Natur wirklich wahrzunehmen. Obwohl ich zugeben muss, dass ich dazu während der Fahrt auch kaum Gelegenheit fand. Ich hatte andere Problem – wie Atmen, Treten und nicht vor Langsamkeit vom Fahrrad fallen. Doch in jeder Verschnaufpause (davon gab es einige) erfreute ich mich auch an der Schönheit der Umgebung. Wie die verschiedenen Nadel- und Laubbäume, deren Baumkronen sich leicht im Wind neigten und die so wundervoll holzig und frisch rochen. Viele kleine Vogelstimmen und das Summen von Insekten machten den Wald noch lebendiger. Das weiche, saftig grüne Moos sah so kuschelig und gleichzeitig frisch aus, dass ich mich am liebsten hineingelegt hätte. Ich glaube, ich war zuvor zu lange in der Sonne gefahren. Auf jeden Fall genoss ich die kühlere Temperatur im Schatten der Bäume. 

Kurz vor der bevorstehenden Radreise von Berlin nach Friedrichshafen, war ich etwas unsicher und aufgeregt gewesen. Sie sollte viele Neuheiten für mich bereit halten. Nicht weil ich mehrere Tage allein auf dem Fahrrad unterwegs sein würde, auch nicht, weil so viele Kilometer vor mir lagen. Viel mehr war es das neue Fahrrad, die bevorstehenden Höhenmeter und vor allem die Sorge, nicht alle Sachen am Fahrrad unterbringen zu können. Bikepacking war das Zauberwort

Diese neumodische Art zu reisen, hat mich irgendwie fasziniert. Es fühlte sich dann bei der ersten Tour auch gleich anders an, als ich es sonst auf Radreisen gewohnt war. Ich fuhr ohne hinteren Gepäckträger, ohne schwere, große Taschen, die das Gewicht komplett nach hinten verlagerten. Stattdessen begleiteten mich auf dieser knapp einwöchigen Reise an den Bodensee eine mittelgroße Satteltasche, eine kleine Lenkertasche und ein Lowrider mit zwei Fronttaschen. Das war immer noch kein typisches Bikepacking-Setup, aber es war ein Anfang. Ich merkte auch damit bereits einen deutlichen Unterschied im Gelände und bei Anstiegen. Ich hatte mehr Kontrolle über mein Rad. Mein veloheld.iconX war von seinen Wurzeln aus ein wendiger und agiler Crosser, den ich mit breiteren Reifen und Beleuchtung als Gravelbike aufbauen ließ. Doch während ich bei vorherigen Radreisen fast das komplette Gepäckgewicht am Hinterrad spürte, war es nun besser verteilt. Es war weniger umständlich oder anstrengend, das komplette Bike über einen umgefallenen Baumstamm zu heben (was auch leichter bepackt immer noch keinen Spaß macht) oder über unruhiges Terrain zu lenken. Mein Rad fühlte sich ebenso wohl auf dem glatten Asphalt, wie auf den steinigen Feldwegen, die wir früher am Tag bewältigt hatten. Die breiten 43mm Reifen mit dem gut definierten Profil surrten leise auf dem harten Untergrund während meiner langsamen Plackerei die Berge hinauf. Es war ein völlig neues Radfahrerlebnis für mich! 

Die outdoor-affine Autorin Hilary Oliver formulierte es in einem Artikel zum Thema Bikepacking einmal so: „Bikepacking is running away from home for grown-ups.“ – Bikepacking ist das Weglaufen von zu Hause für Erwachsene.

Dieser Satz ist hängen geblieben, während ich versuchte zu ergründen, weshalb diese Art mit dem Fahrrad unterwegs zu sein, in den letzten zehn Jahren so beliebt geworden ist. Ist es wirklich ein Weglaufen aus dem Alltag, was die Faszination Bikepacking ausmacht? Oder ist es einfach nur ein lässiger Trend von Städtern, die auf Outdoor-Adventure machen und dabei möglichst cool wirken wollen? 

Vielleicht ist es für einige auch das. Wahrscheinlicher ist aber, dass sich die wenigsten Radfahrenden, die Abenteurer und die Radreisenden, wirklich Gedanken darüber machen. Viel mehr ist da dieser Drang ganz unkompliziert und ohne viel Vorbereitung mit dem Fahrrad unterwegs zu sein. Rad und Raus, wie Gunnar Fehlau es in seinem kleinen Büchlein zum Thema Microadventure und die kleinen Ausflüchte aus dem täglichen Einerlei beschrieben hat. Denn in der Natur muss man sein wollen, die Kilometer auf dem Rad verbringen und die kleinen und großen Anstrengungen nehmen wollen. Dabei hilft einem keiner, vor allem nicht der Drang einen Trend mitzumachen.

Was ist Bikepacking aber nun genau?

Gepäck

Als ich zum ersten Mal bewusst etwas übers Bikepacking gelesen habe, war ich sehr skeptisch. Ich habe mich gefragt, wieso ich denn mein Gepäck so kompliziert und mit so vielen kleinen Taschen mitführen sollte? Noch mehr Kleinkram überall verteilt, klang für mich nicht sonderlich praktisch. Nie hätte ich erwartet, dass ich so eine längere Tour machen könnte, die über zwei Tage hinausgehen konnte. Wo sollte ich denn da meine ganzen Sachen unterbringen? Den Nachteil der reduzierten Mitnahmemöglichkeit von Dingen, lernte ich jedoch schnell zu schätzen. Der größte Vorteil dabei: Das Fahrrad ist deutlich leichter. Vieles, was ich sonst immer dabei hatte, benötigte ich eigentlich gar nicht. Besonders Kleidung konnte ich drastisch reduzieren. Tatsache ist, je nach Reiseziel oder -dauer kann es einfacher oder schwerer sein, alle benötigten Sachen mitzuführen. Was aber für das Bikepacking genauso wie für das normale Radreisen gilt: Spätestens wenn sich eine gewisse Packroutine und -ordnung entwickelt hat und alles sinnvoll und themenbezogen verstaut wurde, muss man auch nicht mehr so viel suchen. (Ich suche aber immer noch.)

Bikepacking verbinde ich vor allem mit einem bestimmten Reisestil, bei dem das möglichst leichte und agile Reisen nur einen Teil der Erfahrung ausmacht. Viel mehr geht es darum einfach raus zu fahren aus dem Alltag, aus der Stadt und am besten off-road und mit wechselnden Untergründen. Dabei ist es egal, ob man nur ein paar Tage oder mehrere Wochen oder Monate unterwegs ist. Beliebt sind dafür vor allem Gravel- oder Allroadbikes, die mit breiteren Reifen, aber geringerem Reifendruck gefahren werden und tendenziell ohne installierte Taschenträger kommen.

„To my eyes, bikepacking is a form of exploring the backcountry on your bike, fully self-sufficient. That can be on roads or anything you find to ride your bike on.“, so formulierte es Markus Stitz auf bikepackingscotland.com

Beim Bikepacking gibt es verschiedene Ansätze, wie das Gepäck am Rahmen des Fahrrades transportiert werden kann. Zum einen werden leichte, robuste Taschen direkt am Rad befestigt: Satteltasche, Rahmentasche und Lenkerrolle, die mit Klettverschlüssen angebracht werden, gehören zur Standartausrüstung. Viel mehr braucht es für einen Wochenendausflug ins Grüne auch nicht. Für längere Touren kann auf kleine Helfer, wie spezielle Cages, die an der Gabel befestigt werden, zurückgegriffen werden. So ist es möglich, noch mehr Kleinigkeiten, wie Schlafsack oder Isomatte am Fahrrad mitzuführen. Auch kleinere Vorderradtaschen am Lowrider können zum Einsatz kommen, da dieser im Gegensatz zum Hintergepäckträger meist leichter ausfällt und eine ausgewogene Gewichtsverteilung am Vorderrad ermöglicht.

Bikepacking vs. Bike Touring

Gepäck

Als ich zum ersten Mal bewusst etwas übers Bikepacking gelesen habe, war ich sehr skeptisch. Ich habe mich gefragt, wieso ich denn mein Gepäck so kompliziert und mit so vielen kleinen Taschen mitführen sollte? Noch mehr Kleinkram überall verteilt, klang für mich nicht sonderlich praktisch. Nie hätte ich erwartet, dass ich so eine längere Tour machen könnte, die über zwei Tage hinausgehen konnte. Wo sollte ich denn da meine ganzen Sachen unterbringen? Den Nachteil der reduzierten Mitnahmemöglichkeit von Dingen, lernte ich jedoch schnell zu schätzen. Der größte Vorteil dabei: Das Fahrrad ist deutlich leichter. Vieles, was ich sonst immer dabei hatte, benötigte ich eigentlich gar nicht. Besonders Kleidung konnte ich drastisch reduzieren. Tatsache ist, je nach Reiseziel oder -dauer kann es einfacher oder schwerer sein, alle benötigten Sachen mitzuführen. Was aber für das Bikepacking genauso wie für das normale Radreisen gilt: Spätestens wenn sich eine gewisse Packroutine und -ordnung entwickelt hat und alles sinnvoll und themenbezogen verstaut wurde, muss man auch nicht mehr so viel suchen. (Ich suche aber immer noch.)

Kosten

Im Prinzip macht es kaum einen Unterschied, ob man sich Taschen und Zubehör für die Gepäckträger zulegt oder mehrere einzelne Bikepacking-Taschen. Die Kosten sind ähnlich. Es gilt die Faustregel: Je leichter, desto teurer.

In der Tourversorgung sieht es etwas anders aus. Besonders bei längeren Radreisen kann es ja nach Reiseregion notwendig sein zum Beispiel mehr Wasser und Lebensmittel am Rad mitzuführen. Da kommt man mit den Rahmentaschen irgendwann an seine Grenzen. BikepackerInnen neigen dann aufgrund begrenzter Platzoptionen eher dazu irgendwo anzuhalten und in Lokalen zu essen, als alles auf dem Fahrrad dabei zu haben. Das ist einfach unkomplizierter – kann aber eben auch etwas kostspieliger sein.

Schöne Zusammenfassungen (auf Englisch) gibt es zum Thema Bikepacking vs. Bicycle Touring auf bikewanderer.com und auf worldbiking.info.

Flexibilität

Das Fahrrad fährt sich viel agiler und wendiger, wenn es nicht so voll beladen ist. Das bringt vor allem in unruhigem Gelände deutlich mehr Fahrspaß. Da wo ein klassisches Tourenrad an seine Grenzen kommt, geht es beim Bikepacking erst richtig los. Wie eine kleine Bergziege klettert das Gravelbike entlang schmaler Pfade, arbeitet sich durch Feldwege mit großen und kleinen Kieselsteinen und rollt über Tannennadel-bedeckte und wurzelige Waldwege.

Hindernisse lassen sich mit einem leichteren Fahrrad ebenso besser umgehen, als mit einem  vollen Tourenrad.

Beschränkung auf das Wesentliche: Auf los gehts los!

Um auf Hilary Oliver zurückzukommen: Ist Bikepacking das Weglaufen von zu Hause für Erwachsene? 

Nach wie vor hat diese Aussage einen leichten negativen Beigeschmack für mich. Es ist weniger ein Weglaufen als ein Verschnaufen und tief Luft holen! Es ist durchweg positiv, wenn man es bei all dem täglichen Trubel im Job und auch in der Freizeit schafft, sich eine kurze oder auch längere Auszeit zu nehmen. 

Weshalb sitzen wir so gern auf unseren Fahrrädern? Mir gibt es nach wie vor eine Selbstbestimmtheit, die Freiheit und die Möglichkeit verschiedene Wege mit eigener Kraft zurückzulegen. Bikepacking intensiviert dieses Freiheitsgefühl, dass beim Radfahren ohnehin entsteht, denn es ermutigt, sich auch auf einer längeren Tour mit dem Fahrrad auf das Wesentliche zu beschränken. Ob dies allein, mit Freunden oder Fremden auf einem Bikepacking-Event passiert, ist Geschmackssache.

Was denkt ihr übers Bikepacking? Welche Erfahrungen habt ihr auf euren Reisen gemacht und was bevorzugt ihr: Klassisches Radreisen oder Bikepacking?