Am Freitag (19.08.) stiegen Alex, Carsten und ich in ein schwarzes Auto. Hinter uns lagen im Kofferraum die eigenen, mit Decken abgehangenen feinen Stahlrennräder, unsere Rucksäcke waren auch wieder mit einigen Klamotten und anderem Kram gepackt. Wir blickten gespannt auf das schwarze Display des Onboardnavi und sahen für einen kurzen Moment nur unsere dunklen Silhouetten, plötzlich leuchtete es auf, wir zuckten kurz und eine freundliche Frauenstimme sagte zu uns: “Route wird neu berechnet!” Wir schauten uns fragend an, starteten den Wagen und fuhren in der Nachmittagssonne auf die A4 Richtung Polen und kamen gegen Mitternacht etwas sitzbehindert im Berghotel oberhalb von Unterkubin in der Slowakei an. Unsere Rennradkilometer sollten also mal ganz woanders abgefahren werden und dieses mal in der Heimat von Rennradprofi Peter Sagan!

Nachdem sich das Trio in der Nacht geistig, und nach dem Frühstück körperlich erholt hatte, klickte unser Landkartenenthusiast Alex fix eine Route zusammen, wir zogen uns um, packten die Fellowbags Radtaschen, steckten unsere Räder zusammen und waren gegen 8.00 Uhr unter strahlender Sonne bereit für #anadventureaday durch die Tatra. Wir starteten etwa auf 700 m über NN und fuhren 6 km ins Tal während wir schon in der Abfahrt stellenweise die freiliegenden Gipfel über einem gleichhohen, ebenen Wolkenteppich beobachten konnten. Die ersten Glücksgefühle machten sich breit und den Kopf frei. Das war gar nicht so schwer, schließlich waren wir mindestens 600 km von Nachbars Tür weggefahren und diese unbefangene Neugier über die kommenden Kilometer und Höhenmeter ließ uns wie Indianer auf Fahrrädern die Gegend erobern. Nach dem ersten Anstieg durch ein reizvolles Waldstück rollten wir durch einen kleinen Ort mit dem tollen Namen Lúcky, passierten linker Hand den Litauer Stausee und waren von idyllischen Gebirgsketten umzingelt. Nach 10 km Flachland ging es endlich in die niedere Tatra und die nächsten 600 vertikalen Meter zum 2. Gipfel verteilten sich auf geschmeidige 13 km, an denen wir unzählige LäuferInnen überholten, zunächst sehr verstreut, dann in Ansammlungen, gelegentlich stand ein Wohnmobil oder ein PKW am Wegesrand, die ihre Freunde über diese Sportart mit Klatschen versuchten zu überzeugen ;). Es war ein Berglauf oder was ähnliches, denn am Gipfel herrschte reges Treiben in Laufschuhen und wir versuchten zwischen Pkw’s , SportlerInnen und Schaulustigen wie auf einem Bazar nach vorn zu kommen. Endlich durchgekommen hieß es Flügel aufspannen und mit 80 km/h den Berg hinunter.

Wenn ich ein typisches slowakisches Haus beschreiben sollte, wäre es für mich ein verwittertes Holzblockhaus mit bunten Tür-und Fensterrahmen, einem ausgeblichenen und Rostflecken tragenden Blechdach und einem wilden kleinen Grundstück ringsherum – so wie wir in Liptzovská Lúzna davon beeindruckt wurden. Wir fuhren anschließen 40 km auf der Bundesstraße 59 die uns erst knapp 300 Höhenmeter ins Skigebiet nach Donovaly, um danach eine 23 km lange Abfahrt zu genießen. Man gewöhnte sich an den leichten Tritt, der ausreichte um 45 km zu fahren. In Karlovo wurde dieser Zustand natürlich dummerweise wieder normalisiert und der Puls stieg wieder auf 90 bpm. Wir folgten der unspektakulären Route 66 und bogen spontanerweise auf eine “Hier-willst-du-bestimmt-nicht-mit-deinem-Rennrad-lang-Straße!” ab, wir überlegten kurz, entschieden uns aber für das Unvorhersehbare. Mit den 25er Reifen in den Spurrillen von Baggern oder handgroß besteinten Grasnaben zu fahren, die unser Gepäck umsortierten oder den Helm gegensetzlich zum Körper wackeln ließen, ist nicht gerade das, was man in Rennradkatalogen zu sehen bekommt. Bunnyhops, um Schottergräben bergab zu überspringen, Gleichgewichtssinn wie ein blinder Seiltänzer zu haben und eine Begeisterung aufbringen zu können, um sich dort wohl zu fühlen, wo man gerade den Reifen abrollt. Jedenfalls besaßen wir die “technical skills”, die nötig waren, um selbst in diesem Gelände Spaß zu haben und nicht schieben oder absteigen zu müssen – absolute ingravelable (Achtung neues Wort). Wir kamen in Medzibrod wieder auf die Route 66 und folgten dieser 25 km. Die letzte Etappe des Tages mit durchschnittlich 4 % Steigung auf einer Streckenlänge Dresden-Meißen, fuhren wir mit gewohntem Durchhaltevermögen und Salzwasserverlust bis zu einem Kreisverkehr, an dem unser Abzweig zum Zielberg führte. Eine kleine überdachte Quelle mit eingebrannten Lettern “pitná voda” spendete uns erfrischend kaltes Wasser. Die letzten 10 km schlechter Straßenbelag richteten sich nochmal auf, um uns den Schweiß abzuluchsen. Der letzte Kilometer wurde zum Bergsprint. Nach 160 km und fast 3000 Hm erreichten wir in der Spätnachmittagssonne unser Zielhotel Srdiecko.
Wir stellten unsere Räder in den Skikeller, duschten uns, schauten etwas Olympia (Mountainbike der Damen), gingen was essen und trinken und sahen uns den Himmel an, an dem der gleiche Mond schien wie bei euch zu Hause.

Sonntag morgen… Ein Blick auf den Wecker lohnte sich trotz intensivstem Anstarren nicht und die frühlingshafte Stimmung, die die Sonnenstrahlen durch das offene Fenster verbreiten wollten, waren neben dem Biolärm auch nur kleine Kämpfer gegen diese große Müdigkeit, die ein Zeichen der körperlichen Anstrengung vom Vortag war. (…) Das war natürlich nur Spaß, wir standen ja erst kurz vor 8 Uhr am Frühstückbuffet und rieben uns gähnend mit der Kaffeetasse in der Hand den Bauch.
Für den Sonntag waren gegen Mittag heftige Gewitter und Regen gemeldet. Deshalb versuchten wir so schnell wie nötig aufzubrechen, um dieser Wettervorhersage aus dem Weg zu fahren. Mit 56 km/h Durchschnitt auf den ersten 10 km flog ich diesen slowakischen schlaglochreichen Flickenteppich mit Vorrausblick hinunter, so dass meine Taschen am Lenker und an der Sattelstütze nur so zitterten. Im Tal angekommen ging es direkt auf eine 18 km lange Passstraße wieder von 600 Hm auf 1200 Hm hinauf. Diese Straße hatte man am Mlynárska und Rovienky mit Serpentinen vorbeigelegt. Es herrschte eigenartige Windstille, die sehr unangenehm war, denn dadurch färbten sich unsere Trikots schnell in dunklere Farbtöne. Den Schweiß sich mit der Schulter aus dem Gesicht zu wischen, kam irgendwann nassem feinen Sandpapier sehr nah. Wir glänzten vor uns hin und die Kurbel wurde weiter kraftvoll umgedreht. Schweißtropfen fielen im Sekundentakt auf Oberschenkel und Schuhe bis die Straße sich wieder absenkte und wir uns von der niederen Tatra mit einer schier endlosen Talfahrt und wunderschönen Landschaftseindrücken verabschiedeten. Wir fuhren zügige 30 km im Flachland durch Liptau-Hradek und Liptau-Sankt-Nikolaus, wo wir am Liptauer Stausee wieder an unsere alte Route vom Vortag anknüpften. Die Sonne hatte währenddessen genug von allem und ließ sich vom Sommerregen ablösen. Vor uns lag noch der Anstieg mit Märchenwald und der Hotelberg. Was bei Regen schnell auffällt, ist, dass man keine besonders gute Disziplin aufbringen kann, hinter jemandem zu fahren, denn die kühlen Tropfen von oben sind mir persönlich als Radfahrer lieber als die dreckig warmen vom Hinterrad des/der Vorrausfahrenden – was trockene Pkw Fahrer selten nachvollziehen können – schade eigentlich!

In Lucky legten wir ein paar Euro auf den Tresen, um Trinkwasser in unsere Flaschen zu füllen. Der Regen spielte ein Konzert auf Helm, Fahrrad, Fahrer und Asphalt. Es war erstaunlicherweise sehr viel angenehmer als wir befürchtet hatten. Ich dachte eher an Verhältnisse wie Anfang Juli im Riesengebirge. Am Straßenrand kämpften Leute mit Regenschirmen gegen die Tropfen, einige Kinder trugen keinen, aber blaue Müllsäcke wie ein Umhang. Am Hotel wieder angekommen verstummte der Regen. Alex, Carsten und ich zollten Peter Sagan noch Tribut und dann hieß es Umziehen, Sachen zusammen packen und ab Richtung Dresden. Auf der Heimfahrt stärkten wir uns mit slowakischer Küche und waren noch von dem ganzen Wochenende voll beeindruckt. Ich bin sehr froh, wenn ich mit Freunden so ein Erlebnis teilen kann, es ist immer wieder wie gemeinsam um ein Lagerfeuer zu sitzen. Es war spitze Jungs.

Einige Fotos und Videoausschnitte sagen mehr als ich hier niederschreiben konnte.
In diesem Sinne “bye zatial” zum nächsten Abenteuer.

 

Unten seht Ihr noch die Strecken, um sie auch einmal selber zu fahren. Wir haben es von der Länge nicht übertrieben, da die Höhenmeter doch anstrengend waren und wir nicht unbedingt gestresst in der Dunkelheit ankommen wollten. Am zweiten Tag verkürzten wir aufgrund des Regens die geplanten 140 Kilometer auf “nur” 111 Kilometer.