Zu starr, zu unflexibel und vor allem viel zu schwer. Schon lange hat mich das klassische Radreisen mit dem schwer beladenen hinteren Gepäckträger genervt. Auf keinen Fall konnte ich das voll beladene Fahrrad noch hochheben. Das hat an so manchem Bahnhof oder im unwegsamen Gelände schon oft zu Schweißausbrüchen geführt und meist auch das nervige Abnehmen der Taschen zur Folge.

Daher wich ein Teil meiner anfänglichen Skepsis gegenüber dem Bikepacking schnell einer Neugierde und dem Drang, es einfach mal auszuprobieren. Ich hatte nur nach wie vor eine große Sorge: Wie sollte ich nur meine ganzen Sachen in den kleinen, überall am Fahrradrahmen verteilten Taschen unterbringen?Ist das nicht viel zu wenig Platz ohne Gepäckträger und zu unübersichtlich? Was brauche ich überhaupt, um ausgestattet, aber nicht überladen auf Bikepacking-Tour gehen zu können?

Die richtigen Taschen sind schon einmal ein guter Anfang!

Das klassische Bikepacking Set-Up? Gibt es nicht!

Na super. Klingt kompliziert! Ist es aber nicht. Viel mehr gibt es verschiedene Taschen, die spezifisch für eine bestimmte Position am Fahrrad vorgesehen sind. Diese können für jede Ausfahrt flexibel ausgewählt werden – eben je nach Gepäckbedarf. Angebracht werden die Bikepacking-Taschen meist mit Klettband und verschlossen mit einem variablen Rollverschluss und Haken bzw. Steckverschluss oder per praktischem Reißverschluss. So weit, so gut. Aber woher weiß ich nun, was für mich sinnvoll ist?

Bei mir läuft das vor einer Ausfahrt so ab, dass ich schaue, wie lange ich überhaupt unterwegs sein werde und was auf jeden Fall auf meiner Tour dabei sein muss. Danach wähle ich aus, welche Taschen ich brauche und wie viele. Am Ende hilft nur Probepacken oder eine sehr gute Einschätzungsgabe.

Das tolle beim Bikepacking ist ja, dass man unabhängig von Gepäckträgern und eventuell benötigten Ösen am Rahmen reisen kann. Die nötigsten Dinge werden mit passenden Taschen direkt am Fahrradrahmen untergebracht. Das ist perfekt für Fahrräder ohne Gewindeösen und spart außerdem zusätzliches Gewicht, da Bikepacking-Taschen tendenziell oft aus leichtem Material gefertigt werden. Einige Exemplare habe ich schon ausprobiert und war positiv überrascht, wie sehr sich das Fahrgefühl im Gegensatz zur normalen Reisebeladung verändert hat.

Mit Beliebtheit des Bikepackings wuchs auch die Auswahl an verfügbaren Taschen. Je nach Reisevorhaben und Fahrrad kann die Taschenauswahl ganz individuell erfolgen. Revelate Designs, die sich als eines der ersten Unternehmen auf Bikepacking-Taschen spezialisiert haben, haben eine schöne Übersicht dazu erstellt, die einen Eindruck bietet, wie ein Fahrrad im Bikepacking-Stil gepackt sein kann. Im Folgenden sind die gängigsten unterschiedlichen (Rahmen-)Taschen nach Position am Fahrrad aufgeführt.

Position Lenker und Vorbau

Eine Lenkerrolle löst die bei Radreisen typisch genutzte Lenkertasche ab, kommt ohne separatem Halter aus und hat deutlich mehr Fassungsvermögen als diese. Über 20 l Volumen kann so eine Tasche oder Packsack zum Beispiel von Ortlieb oder Apidura haben. Diese werden mittels Klettband entweder direkt oder über einen Harnisch am Lenker befestigt. Praktisch bei letztem ist, dass der Sack separat entnommen werden kann und die Halterung am Rad bleibt. Weniger Gefummel, mehr Flexibilität. Beim Kauf sollte gerade bei Dropbars unbedingt auf die Lenkerbreite geachtet werden und wie die Kabel verlaufen. So lässt sich ein Fehlkauf aufgrund von zu wenig Abstand zwischen den Schalthebeln für die breiteren Taschen vermeiden.

Am Lenker lassen sich außerdem noch sehr gut sogenannte Stem Bags, also Vorbautaschen anbringen, die sehr praktisch für die Verpflegung während der Fahrt sind. Das sind kleine beutelartige Taschen, die per Klettband am Lenker und am Vorbau befestigt werden. Eins, zwei oder gar vier davon? Eine zusätzliche Trinkflasche, die Kamera oder kleine Snacks und Riegel lassen sich dort prima und schnell zugänglich unterbringen. Die Rettung für den kleinen Hunger zwischendurch quasi. Damit blieb meiner Begleitung bei einer der ersten Fahrten auf jeden Fall unnötiges Gequengel erspart. Denn während ich schon wieder Hunger hatte, wollten alle anderen noch weiter fahren.

Position Rahmendreieck

Kleinkram habe ich ja immer eine ganze Menge dabei. Hier noch ein Kabelbinder und Batterien, da ne Packung Bonbons und ein Lippenpflegestift. Wenn die Stem Bags schon voll sein sollten, bietet sich dafür auch noch eine Oberrohrtasche (top tube bag) an, die entweder direkt vorn beim Vorbau befestigt wird oder hinten nahe der Sattelstange.

Je nach Größe des Freiraums zwischen Oberrohr, Sattelrohr und Unterrohr passt eine ganze Menge in das Rahmendreieck. Schwere Gegenstände, wie eventuell mitgeführte Kocher, Werkzeug oder Kameras, lassen sich am besten in einer Rahmentasche unterbringen. Es gibt Varianten, die den ganzen Rahmen ausfüllen, aber auch halb große Taschen, die noch Platz für die Trinkflaschenhalter am Rahmen lassen. Selbst am Unterrohr kann nach Bedarf noch eine schmale Rahmentasche angebracht werden. Die schützt dann praktischerweise auch noch den Lack vor hochspringenden Steinchen.

Position Sattel und die Sattelstütze

Um einen Gewichtsausgleich herzustellen und außerdem beim Fahren ohne Schutzbleche auch noch einen Spritzschutz zu haben, sind Satteltaschen eine hervorragende Ergänzung eines typischen Bikepacking Set-Ups. Auch diese gibt es in unterschiedlichen Ausführungen und Größen. Vom kleinen Täschchen fürs Werkzeug, das per separatem Halter oder per Klettband befestigt wird, reicht das Volumen bis hin zur 17 l Satteltasche für leichtere Dinge wie Regenbekleidung oder einem Schlafsack. Wie bei der Lenkerrolle gibt es Varianten mit Holster und entnehmbaren Packsack, die das Entnehmen der Habseligkeiten deutlich erleichtern können. Hier ist zu beachten, wie viel Platz an der Sattelstütze zum Sattelrohr hin vorhanden ist und wie viel Abstand zum Hinterrad besteht. Je nach Größe der Tasche brauchen die Tasche und die Klettbänder nach unten hin mehr Platz. Also unbedingt ausmessen!

Position Gabel und Hinterbau

Na gut, auch wenn beim Bikepacking möglichst alles direkt am Rad und ohne extra Träger befestigt werden kann, sind kleinere Halterungen mitunter sehr praktisch – und das Rad ist in Summe immer noch leichter und wendiger.

Im Sommer bin ich das erste Mal mit einem Lowrider gefahren. Das ist ein schmaler Gepäckträger für die Gabel, den es in unterschiedlichen Ausführungen gibt. Dafür benötigt man in der Regel Aufnahmen an der Gabel mit Gewinde. Ich entschied mich für einen Träger ohne Bogen über dem Vorderrad, demTubus Duo, und befestigte somit die beiden Teile einzeln innen und außen an der Gabel. Bei der Variante muss die Gabel allerdings auch eine Bohrung auf der Innenseite haben. Mein veloheld.iconX Gravelbike war diesbezüglich perfekt vorbereitet und ließ mir alle Möglichkeiten der Gepäckträgeranbringung offen.

Dazu passend sind die kleineren Frontroller Gepäckträgertaschen wie es sie von Ortlieb in der Gravelversion gibt. Das Gravel-Packhat zwei Haken zur zusätzlichen Sicherung und ist leichter als die normalen Fronttaschen. Der Vorteil bei der Variante der Gepäckaufbewahrung ist, dass die Taschen sehr nah an der Achse des Vorderrades hängen. Mitunter steuert sich das Rad anfangs etwas anders, doch ich gewöhnte mich schnell daran und bemerkte eine angenehme Laufruhe – besonders auf langen Abfahrten und bei höheren Geschwindigkeiten. Agil ist das Fahrrad dann immer noch. Mitunter kann auf sehr unruhigem Gelände das ein oder andere Geräusch auftreten, weil die Frontroller mit ihren Haken eben nicht so eng befestigt werden können, wie die Taschen mit Klettband.

Wem das zu unruhig ist, der kann auf Gabelkäfige, sogenannte Cages zurückgreifen, die entweder angeschraubt oder per Band an Hinterbau oder Gabel befestigt werden können. Es gibt sie zum Beispiel von Blackburn (Outpost) oder Salsa (Anything Cage). Daran lassen sich über weitere Bänder kleine Packsäcke bis zu 4 l oder Trinkflaschen festzurren. Perfekt sind sie auch für den Schlafsack oder die kleine Isomatte.

Mit Zelt und Schlafsack oder ohne?

Die Frage ist nur: Will ich überhaupt Campingzubehör mitnehmen, wenn ich so leicht bepackt wie möglich reisen möchte?

Der Vorteil, wenn man seine eigene Unterkunft am Rad dabei hat, liegt auf der Hand: Es ist die günstigste und unabhängigste Variante zu übernachten, besonders wenn man länger unterwegs sein möchte. Doch muss es gleich ein vollwertiges Zelt sein, das wenn es nicht ultraleicht ist, mitunter das größte Gepäckgewicht haben kann? Sicher gibt es kleine Varianten, die kaum mehr als ein Kilogramm wiegen. Doch das kann schnell mal ins Geld gehen, wie bei vielen Ausrüstungsgegenständen, die im Ultraleicht-Segment zu finden sind.

Hier findet Ihr übrigens eine Vorstellung von aktuellen Ultraleicht-Zelte bis 150€ und hier bis 350€.

Kleiner und leichter sind ein Biwaksack und eventuell ein Tarp. Dazu kommen noch ein leichter Schlafsack und die Isomatte bzw. Luftmatratze. In Summe füllen all diese Dinge dennoch mindestens eine Tasche, was bei dem geringen Mitnahmevolumen deutlich auffällt.

Eine tolle Übersicht und Informationen zu Bikepacking-Taschen gibt es auf Englisch auf bikepacking.com, der Infoseite schlechthin: The complete guide to bikepacking bags

Jetzt aber mal Butter bei die Fische: Was nehme ich überhaupt mit?

Gute Taschen am Fahrrad zu haben, ist ja nur die Basis für die richtige Bikepacking-Ausrüstung. Aber was packe ich da eigentlich alles rein und was brauche ich wirklich?

Irgendwann habe ich angefangen, mich selbst herauszufordern, da ich immer dazu neigte, zu viel auf Reisen dabei zu haben. Das Ziel: So wenig wie möglich, aber so viel wie nötig! Denn irgendwas kam immer ungetragen oder unbenutzt wieder zurück mit nach Hause (Ich lasse Erste-Hilfe-Kits bzw. Werkzeug da mal außen vor.). Um dem etwas entgegen zu wirken, packe ich nun im Zweifach-Check-Verfahren (oder auch dreifach). Das heißt, erst lege ich alles hin, was ich glaube zu brauchen und dann sortiere ich radikal aus. Dabei stelle ich mir Fragen wie: Wie viele Tage bin ich weg und wie oft muss ich Kleidung wechseln? Kann ich zwischendurch waschen? Brauche ich wirklich drei Tops oder reichen zwei? So kann sich der Kleidungsstapel schnell mal halbieren. Funktioniert auch beim Zubehör und Krimskrams ganz gut.

Je nach Reiselänge variiert natürlich der Gepäckbedarf, doch die Grundausstattung ist im Prinzip immer die Gleiche. Es braucht vielleicht ein paar Ausflüge mit dem Rad, um den passenden Aufbau zu finden und die richtige Ausstattung für den Bedarf auf der Tour herauszufiltern. Es lohnt ein selbstkritischer Blick und ein realistisches Planen. Auch Kleidung kann oft drastisch reduziert werden, so lange etwas für jede Gelegenheit dabei ist. Das fünfte T-Shirt einstecken zu haben, mag ja praktisch sein, aber eigentlich ist es meist unnötig und zusätzliches Gewicht.

Die Packliste in abgespeckter Version (Anzahl der Kleidung je nach Tourlänge und Waschmöglichkeit)

Die Basis:

  • Wasserflasche(n)
  • Kaffeebecher
  • 1-Hilfe-Set
  • Werkzeug/Flickzeug/Ersatzschlauch/Tubeless Dichtmilch/Luftpumpe
  • Multitool/Taschenmesser/Messer
  • Kabelbinder
  • Tape
  • Stirnlampe

Kleidung:

  • Regenkleidung (Regenjacke, -hose und Gamaschen)
  • Unterwäsche/Baselayer/Socken
  • Longsleeve/Fleecejacke
  • Radlerhose/Bibshorts
  • Trikot + Wechseltrikot
  • Lagerhose/-oberteil
  • Wechselschuhe

Schlafen (falls gecampt wird):

  • Isomatte
  • Schlafsack + Inlay
  • Biwaksack/Tarp oder Zelt

Wie bekomme ich denn meine ganzen Sachen unter?

Ich musste erst einmal herausfinden, wie ich sinnvoll packe und was wohin kommt. Wie immer vor einer Reise mit dem Fahrrad legte ich mir nach und nach alle Dinge zurecht, die ich für die Tour gebrauchen konnte. Je nach Länge und Zielort schreibe ich auch manchmal eine Packliste (siehe oben) und hake dann alles ab, damit ich wirklich nichts vergessen konnte. Bevor ich mir dann Gedanken mache, wo der ganze Kleinkram, wie Werkzeug, Ersatzteile oder Kosmetikprodukte, hinein gehören, lege ich sie thematisch sortiert zurecht. Dabei gehe ich ganz logisch vor: Badartikel zusammen, alles für die Werkstatt zusammen, eventuell mitgenommene Küchenutensilien zusammen usw. Später beim Einpacken versuche ich dann darauf zu achten, dass alles vom Gewicht her ausbalanciert verteilt ist. Das Wichtigste ist hierbei: Schwere Gegenstände sollten möglichst nah am Rahmen und am besten zum Beispiel im Rahmendreieck untergebracht oder in Nähe der Radachsen möglichst tief gelagert werden. Das zahlt sich bei unruhigem Terrain deutlich aus, da sich die festgezurrten Taschen weniger bewegen und man auch unkomplizierter an engen Stellen hindurch fahren kann.

Wer schlau ist, macht sich bei vielen Taschen eine kurze Notiz, wo was gelandet ist. Ich wiederum versuche, mich zu erinnern und lebe das trial-and-error Prinzip. Und natürlich mache ich jedes Mal mindestens eine Tasche umsonst auf, weil ich doch vergessen habe, wo sich der gesuchte Gegenstand schließlich befindet. Kein Problem. Beim nächsten Mal klappt’s dann gleich. Vielleicht…

Wir sind auf Eure Erfahrungen mit dem “Gepäck” am Rad gespannt.  Was sind Eure Tipps für angehende Bikepacker? Schreibt Sie uns am besten unten als Kommentar. Wir freuen uns drauf.

Text von Juliane Schumacher aka Radelmädchen


Carsten

Ich bin Gründer, Geschäftsführer und Bike Nerd bei veloheld

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